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Sonntag, 29. Juli 2012

Nach Ulaan Bataar


Nach einem recht faulen Wochenende in Irkutsk treffen wir Montagnachmittag Nico vor der mongolischen Botschaft. Zusammen fahren wir raus aus der Stadt und über eine schön kurvige Passstraße zum südlichen Ende des Baikalsees. So eine tolle Strecke hatten wir schon seit 10.000 km nicht mehr, und ausgerechnet jetzt regnet es und ich habe eine Person mehr hintendrauf!
Na ja, auf dem Rückweg werde ich die Kurven genießen können…

Wir campieren in der Nähe eines Flusses, so können wir unser Trinkwasser sparen und haben genug Wasser zum kochen. Diesmal ist der Platz sogar weitestgehend mückenfrei, weshalb ich beschließe, mal in der Hängematte zu nächtigen statt im Zelt. Wozu fährt man das Ding denn tausende Kilometer spazieren?
Die Nacht ist wider Erwarten recht warm und bequem – für baumreiche Länder ohne Moskitos wäre das Ding eine echte Alternative!

Am nächsten Tag starten wir rechts spät und fahren entlang des Baikalsees bis Ulan Ude zum Lebensmittel nachfüllen. Eigentlich wollen wir recht bald nach der Stadt zelten, doch die Landschaft verändert sich langsam komplett. Während es in Zentralrussland noch Ebene und endlose Wälder gab, sieht es hier nun echt schon „mongolisch“ aus mit langgezogenen baumfreien Hügeln und Steppe. Nach einigem Suchen finden wir einen schönen Platz am Fluss, der leider komplett mückenverseucht ist. Wir fahren stattdessen über die Steppe etwas weiter den Berg hoch, wo eine leichte Brise die Viecher vertreibt.
Mit Bier, Schaschlik und Lagerfeuer wird der Abend bei guter Aussicht richtig gemütlich.



Tags darauf geht es zur russisch-mongolischen Grenze. Hier treffen wir auf ein schwedisches Pärchen, das mit zwei BMW 1200 GS unterwegs ist. Sie wollen die Mongolei durchqueren und haben extra Stollenreifen aufgespannt. Wir stehen zusammen das wirklich komplizierte und verwirrende Grenzprocedre durch. Gut vier Stunden rennen wir von Schalter zu Büro zu Schalter, bis endlich wir und unsere Maschinen die Erlaubnis haben, in die Mongolei einzureisen. An der abschließenden Kontrolle fehlt Daniel und mir noch ein Stempel auf einem furchtbar wichtigen Zettel, weshalb wir nochmal zurück müssen und diesen gegen Abgabe eines anderen furchtbar wichtigen Zettels erhalten.

Da es nun schon relativ spät ist, kaufen wir kurz noch ein paar Vorräte und suchen uns zusammen mit den Schweden einen Campingplatz. Wir müssen uns endgültig von den gut geschützten Campingplätzen, wie man sie in Russland überall gefunden haben, verabschieden, finden allerdings noch einen ganz akzeptablen Platz in einer Baumgruppe unweit der Straße.

Leider ist unser Wasservorrat sehr begrenzt, deshalb entschließe ich mich, noch ein paar Kilometer zur nächsten Stadt zu fahren und dort noch etwas Wasser zu kaufen oder aus dem Fluss zu nehmen. Leider entpuppt sich der auf der Karte verzeichnete Fluss als Sumpfgebiet, und Geschäft finde ich auch keins. Ich will mich gerade auf den Rückweg machen, da höre ich ein seltsames Geräusch aus Richtung des Hinterreifens. Ich schaue runter und sehe, dass der Reifen erheblich Druck verloren hat. Ganz toll, die Koffer mit Werkzeug und Schlauch liegen im Camp, telefonisch ist dort keiner zu erreichen, weil Nico nur eine russische Simkarte hat und Daniels Handy seit Wochen kaputt ist. Mit Müh und Not wackele ich zur nächsten Tankstelle und frage nach einer Werkstatt. Allerdings muss ich feststellen, dass hier kaum einer Russisch oder gar Englisch kann, und dass sich Mongolisch einfach verboten seltsam anhört.
Ich schiebe zur nächsten Tankstelle, wo ein Reifen auf dem Dach des Gebäudes auf eine Werkstatt hinweisen könnte und bin enttäuscht von der mangelnden Hilfsbereitschaft der Mongolen. In Russland hätte sicher sofort jemand angehalten…

Leider hat die Werkstatt zu und auch die Frau an der Tankstelle kann mir nicht weiterhelfen, deshalb lasse ich das Motorrad stehen und mache mich auf Schusters Rappen auf zum 10 Kilometer entfernten Camp. Ich versuche mein Glück mit Trampen, und tatsächlich wendet nach wenigen Augenblicken neben mir ein LKW. Die Beifahrerin fragt in ziemlich rudimentärem Englisch, was mit meinem Motorrad sei. Ich erkläre mein Malheur und die beiden fahren mich zurück zum Camp. Hier erwische ich gerade noch Daniel, der aufbrechen wollte um mich zu suchen. Wir packen unser Werkzeug ein und fahren gemeinsam zurück zum Moped.

Wir versuchen zuerst unser Glück mit Pannenspray, das angeblich kleine Löcher im Schlauch verschließen kann, doch vergeblich. Die Brühe läuft einfach durch das Loch wieder aus dem Reifen. Inzwischen hat sich ein junger Kerl mit einer kleinen Offroad-Maschine eingefunden, der mir anbietet, mich mitsamt Reifen zu einer Werkstatt zu fahren.
Wir bauen fix das Hinterrad aus und mit dem Ding unter dem Arm setze ich mich hinten auf seine Enduro. Leider kann die Werkstatt nur schlauchlose LKW-Reifen mit ihrer Maschine abziehen, deshalb fahre ich mit einer anderen Frau, die auch an der Tankstelle war und nun zur Werkstatt nachgekommen ist, zurück zur Tankstelle. 

Hier demontieren der Tankwart und der Endurofahrer mehr oder weniger fachmännisch meinen Mantel und wir ziehen den Reserveschlauch ein. Beim Versuch, den Mantel wieder an seine ursprüngliche Position zu bringen, schlagen sie zwar eine tiefe Kerbe in meine Felge, doch am Ende sind sie doch erfolgreich. Nach dem Anpassen des Ventils ist alles wieder im Lot und zum Dank will jeder mal hinten drauf mitfahren.
Auf die Helme verzichten wir in der Eile, und so rasen wir mit 120 km/h ohne Helm durch die nächtliche Stadt. Danach tausche ich mit dem jungen Endurofahrer für eine Runde die Motorräder. So ein leichtes Ding fährt sich zwar lustig, aber im Endeffekt ist mir meine Susi doch echt lieber.
Nach gut einer Stunde Mopeds testen, quatschen und Zedernüsse kauen (die Dinger sind anscheinend mongolisches Grundnahrungsmittel) verabschieden wir uns schließlich und fahren zurück zum Camp. Es ist bereits Mitternacht, doch Nico ist immer noch wach und hat sogar mit dem Essen auf uns gewartet. Schnell kochen wir Nudeln und essen ein spätes Abendessen.

Ich hatte zuvor mal wieder die Hängematte aufgespannt und diesmal sogar ein Moskitonetz darüber gehängt. Im Laufe der Nacht verirren sich jedoch immer mehr Viecher und Mücken unter das Netz und zerstechen mich tierisch. Auf welchem Weg sie reingekommen sind weiß ich bis jetzt nicht… vielleicht waren sie auch einfach nur so klein, dass sie durch die Maschen gepasst haben. Auf jeden Fall habe ich eine ziemlich ungemütliche Nacht und bin froh, am nächsten Tag gemütlich nach Ulaan Bataar fahren zu können.
Die Schweden waren bereits früher aufgebrochen als wir, trotzdem treffen wir sie im Laufe des Nachmittags wieder am Straßenrand. Wir unterhalten uns kurz, und als wir weiter wollen, springt die Enfield mal wieder nicht an. Nico und ich schieben das Ding die Straße rauf und runter, die Schweden verdrücken sich währenddessen klammheimlich. Schlechter Stil, uns einfach so stehen zu lassen, wenn ein Moped nicht funktioniert!

Kurz vor der Stadt ist eine riesen Baustelle, weshalb der ganze Verkehr außen rum über eine Schlammpiste fahren muss. Hier finden wir auch die Schweden wieder, die genausowenig weiterkommen wie wir. Einige offensichtlich Ortskundige Autofahrer drehen schließlich um und biegen auf eine ganz akzeptable Schotterpiste ein, die durch die ärmlichen Randgebiete der Stadt Richtung Zentrum führt. Glücklicherweise ist die Straße in meinem GPS verzeichnet, und so finde ich problemlos den Weg ins Zentrum und auf die Hauptstraße. Die Schweden hängen sich an uns dran, doch im Verkehrschaos von Ulaan Bataar bleiben sie manchmal zurück. Als ich wieder einmal kurz warte, bis ich alle im Rückspiegel sehen kann, brettert der Schwede plötzlich vor, bremst neben mir ab und schnauzt mich an, wieso ich denn so schnell fahren würde! Wir wären schließlich eine Vierergruppe, ich solle gefälligst auf sie warten! Ach so, wir sind auf einmal eine Gruppe? Uns erst stehen lassen und dann Hilfe wollen, weil man kein eigenes GPS hat… klasse! Ich habe jedoch keine Lust auf streiten und gelobe Besserung. Mein Versprechen einlösen muss ich allerdings nicht, da die beiden sofort zu einem Hotel am Straßenrand abbiegen. Sie verabschieden sich nicht.

Wir fahren noch ein paar Meter weiter und suchen das Golden Gobi Guesthouse, neben dem unsere Couchsurferin wohnen soll. Leider verzettle ich mich ziemlich im Einbahnstraßenchaos und so beschließen wir, erst mal anzuhalten und über Skype bei ihr anzurufen, um zu sehen ob sie überhaupt zu Hause ist. Daniel zieht mit dem Netbook los, um ein WLAN zu finden und kommt wenig später mit einer Kellnerin im Schlepptau zurück, die zu unserer Überraschung deutsch spricht. Er hatte Marissa, unsere Couchsurferin, über das WLAN eines Restaurants erreicht und die Kellnerin hatte gemerkt, dass er Deutscher ist. Sie erklärt uns den Weg und wir kommen zu Marissas Haus, wo wir uns und unseren Gepäckberg im Wohnzimmer einquartieren.

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