Wir starten gerade noch rechtzeitig, um vor dem Einsetzen
des Regens die Matschpiste und den Ort hinter uns zu lassen. Trotzdem schüttet
es den ganzen Tag wie aus Eimern, deshalb beschließen wir, einmal nicht zu
campen sondern uns in Izhevsk ein Zimmer zu nehmen.
Für 30 € bekommen wir ein recht großes Zimmer, in dem wir
unsere dreckige Ausrüstung etwas putzen und mit Wasserkocher und Mikrowelle
sogar ein Abendessen fabrizieren können.
Tags darauf geht es bei gutem Wetter weiter nach Perm, wo
wir uns schon Couchsurfer organisiert haben. Direkt nach dem Start geht aber
natürlich wieder etwas schief: Ich fahre vorneweg, als ich direkt nach der
Ortsausfahrt bemerke, dass Daniel hinter einer Absperrung stehen geblieben ist.
Durch den Zaun kann ich nicht genau erkennen, was los ist, deshalb wende ich,
um zu ihm zurück zu fahren. Da die Straße eine Mittelleitplanke hat, muss ich
ein Stück außen rum fahren, und als ich an die Stelle komme, sind Daniel und Enfield auf
einmal verschwunden.
Über den Funk meldet er sich nicht und auch ans Handy geht
niemand, deshalb fahre ich nochmal zurück bis zur Herberge. Als ich ihn partout
nirgendwo finden kann, fahre ich wohl oder übel auf die Magistrale nach Perm,
in der Hoffnung, ihn irgendwo auf dem Weg einzuholen.
Als ich ihn nach einigen Stunden immer noch nirgendwo sehe,
versuche ich es nochmal auf dem Handy. Endlich erreiche ich ihn – er hat
irgendwo die Ausschilderung auf die Magistrale übersehen und ist auf einer
Schotterpiste gelandet. Wir beschließen, uns in Perm zu treffen. Bis dahin
genieße ich es, einmal meine eigene Geschwindigkeit zu fahren. Vor den
Polizeikontrollen wird man recht zuverlässig vom Gegenverkehr mit Lichthupe
gewarnt, außerdem sind die Polizeiautos am Straßenrand meist gut zu erkennen,
sodass man rechtzeitig abbremsen kann.
In Perm angekommen, versuche ich wieder, Daniel zu
erreichen. Ich schicke ihm eine SMS, die wie sich später herausstellt erst
einen Tag später ankommt… Nach einiger Zeit höre ich zwar im Funk, kann aber kaum ein Wort verstehen. Ich
drehe ein paar Runden in der Hoffnung, irgendwo besseren Empfang zu haben, doch
keine Chance. Schließlich gebe ich auf und fahre zu den Couchsurfern. Dort
angekommen, kommt eine Nachricht von ihm, dass er auch auf dem Weg dahin sei.
Na zum Glück hat das letzten Endes doch geklappt! Wir stellen fest, dass wir
aufgrund eines Zeitzonenwechsels zwei Stunden zu spät dran sind… ist doch immer
wieder verwirrend in diesem Land!
Unsere Gastgeber, eine WG mit zwei Mädels, erweisen sich als
angenehm unkompliziert. Wir verbringen den nächsten Tag mit ausschlafen,
gammeln und surfen. Erst tags darauf haben wir wieder genug Schwung, uns
nochmal der Enfield-Kupplung zu widmen. Wie sich herausstellt, haben wir die
Kupplung doch falsch zusammengesetzt, weil die neuen Scheiben tatsächlich
anders eingebaut werden müssen als die alten. Oder waren die alten Scheiben
etwa von Anfang an falsch montiert? Das würde eventuell erklären, weshalb die
Kupplung so schnell verschlissen war… Also neues Kupplungsöl gekauft und die
ganze Sauerei kann wieder von vorn losgehen – diesmal hoffentlich zum letzten
Mal!
Abends wollen wir uns bei unseren Gastgebern etwas
revanchieren, indem wir Kässpatzen machen. Das einzige Problem: Wie macht man
Spatzen ohne Spätzlereibe bzw. Spätzlesieb? In einem Supermarkt finden wir
schließlich eine Frisbee, in die wir mit einem heißen Schraubenzieher Löcher
schmelzen. Die Idee ist gut, nur leider sind die Löcher zu klein und die
Frisbee zu instabil… letzten Endes müssen die Spätzle „von Hand“ vom Brett
geschabt werden. Das Ergebnis ist zwar nicht ganz so gut wie mit dem richtigen
Werkzeug, aber eindeutig gut essbar.
An unserem letzten Tag in Perm besichtigen wir noch das
Gulag-Museum „Perm 36“. Das Museum ist etwas mehr als 100 km von Perm entfernt
auf dem Gelände eines ehemaligen Gulags. Es ist das einzige erhaltene Gulag im
gesamten Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, doch der Staat hat keinerlei
Interesse daran, diese Vergangenheit irgendwie aufzuarbeiten. Das Museum wird
von einer privaten Organisation betrieben, der ganz offensichtlich das Geld
fehlt. Auf dem Gelände gibt es kaum etwas zu sehen, und die wenigen Schautafeln
sind ausschließlich auf Russisch.
Fünf Reihen Zäune umgeben das Gulag |
Am Abend gehen wir noch mit unseren Gastgebern in eine
Karaoke-Bar. Es gibt tatsächlich zwei deutsche Lieder zur Auswahl – beide von
Rammstein. Schön zu sehen, dass die deutsche Musikkultur im Ausland würdig
vertreten ist! Wir versuchen uns an allen möglichen englischen Liedern, während
unsere Couchsurferinnen erstaunlich talentiert russische Songs zum Besten
geben. Der Kellner wünscht sich noch,
dass wir „Wind of Change“ singen – offensichtlich ein sehr beliebtes Lied
hierzulande.
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