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Sonntag, 24. Juni 2012

Bikerfestival und Sperrzone

Nach Novosibirsk bin ich erst mal froh, wieder in Ruhe im Wald campen zu können, ohne von anderen Leuten und deren Zeitplan abhängig zu sein. Wir waren trotz des Tipps von Anton, der uns eine Alternative zur Magistralen empfohlen hatte, welche auf einer Schotterpiste endete, recht gut vorangekommen.
Da wir die Einkäufe für die Kässpatzen nicht vollständig verwerten konnten, gibt es heute Abend mal Stockbrot mit Zwiebeln, zubereitet über offenem Birkenfeuer - super! 




Am nächsten Tag starten wir leider bereits mit Regen. Nach ein paar Stunden erreichen wir das Nest Achinsk, wo wir nach einem Cafè mit WiFi fragen, um über Skype den Bekannten in Krasnojarsk anzurufen. Als wir so auf einem Parkplatz stehen, kommt jemand auf uns zu. Ob wir das Bikefestival suchen würden? Nein, eigentlich nicht... hört sich aber interessant an. 
Wir überlegen noch, wie groß ein Bikefestival in diesem kleinen Nest wohl sein kann, da biegt plötzlich ein riesen Trupp Motorräder mit wehenden Fahnen um die Ecke! Es ist ein Treffen aller Bikerclubs im Umkreis von mehren hundert Kilometern, die auf einem Gelände nebenan das ganze Wochenende Party feiern. Da sind wir natürlich sofort dabei!


Als weitgereiste Ehrengäste werden wir mit großem Hallo aufgenommen. Wir werden vom Präsidenten des Bikerclubs Krasnojarsk eskortiert, zahlen selbstverständlich weder für Eintritt, Willkommensbier noch Hühnersuppe. 
An jeder Ecke werden wir eingeladen, und ich habe kaum eine Möglichkeit zu verhindern, ständig mit diversen Getränken "beglückt" zu werden. An dieser Stelle möchte ich gleich mal eine Warnung loswerden: Trinkt nicht mit Weißrussen und Armeniern, vor allem nicht, wenn sie aus der schönen russischen Stadt Urzhum kommen. Tut es einfach nicht.


Erheblich belustigt ist die ganze Nacht einiges los: Eine recht gute Band auf der Bühne, viele lustige bis bedenkliche Motorräder, von denen die wenigsten ein Nummernschild besitzen (siehe unten) und zu späterer Stunde auch noch vor allem auf männliche Motorradfahrer ausgelegte Unterhaltungsshows ;)


Bikerparty

"Don't touch my Yamaha!"


Nach einer mehr oder weniger kurzen Nacht tuckert die ganze Tuppe am nächsten Mittag vor der Heimfahrt zum Baden an einen nahegelegenen Fluss. Leider ist die Stömung zu stark um richtig zu schwimmen, doch auch im flachen Wasser kann man gut abkühlen und vor allem mal wieder sauber werden. 

Danach fahren alle zusammen Richtung Krasnojarsk, und uns wird von mehreren Seiten versprochen, dass wir eine Übernachtungsmöglichkeit finden. Die Kommunikation ist jedoch meist etwas eingeschränkt, weil längst nicht jeder der Truppe Englisch spricht und mein Russisch immer noch nicht wirklich gut ist.



Enfield, Suzuki und russische Konsorten

Wir landen schließlich bei den Bikern von Schelesnogorsk, einem Ort etwas nördlich von Krasnojarsk. Ich wundere mich noch, wieso alle Schilder nach Schelesnogorsk nach rechts zeigen, wir aber links auf eine Schotterpiste abbiegen - da halten die Jungs plötzlich an und deuten auf einen kleinen Trampelpfad im Wald. Ein anderer Biker kommt dort zu Fuß raus und bedeutet uns, ihm mit den Bikes zu folgen, während die anderen umdrehen und zurück fahren. 


Wir kämpfen uns also mit unseren vollbepackten Maschinen über den Weg, der echt ein Abenteuer für sich ist: Es geht über notdürftig abgedeckten Nato-Stacheldraht (wieso zum Henker liegt sowas mitten im Wald rum?) und durch ziemlich tiefe Löcher. 
Endlich kommen wir an der anderen Seite auf einem besseren Weg raus, und wer steht da? Die beiden, die vorhin umgedreht sind! Wieso mussten wir durch den Waldweg und die durften außen rum fahren? Das versteh einer...


Wir werden von Roman mit seiner (leider etwas lädierten) Honda Goldwing abgeholt und zunächst zur Clubgarage eskortiert, wo unsere Motorräder sicher stehen. Wir schlafen bei ihm und seiner Frau Anja in der Wohnung. 
Der Ort selbst hat noch sehr viel Sovjetcharme. Am nächsten Tag essen wir in einer öffentlichen Kantine, untergebracht in einem pompösen Gebäude - auch noch ein Relikt aus vergangenen Zeiten, in der das Volk effizient verköstigt wurde.


Hier erfahren wir eher beiläufig, was es mit der Stadt auf sich hat. Aus Erzählungen wissen wir bereits, dass Roman in einer Firma für Sattelitentechnik arbeitet. Wir erfahren nun, dass Schelesnogorsk bis 1994 "Krasnojarsk 26" hieß und zu Sovjetzeiten auf keinerlei offiziellen Karten zu finden war - hier wurde (noch bis 2010) waffenfähiges Plutonium angereichert und geheime Sattelitentechnik produziert. Die Stadt ist immer noch polizeiilich abgeriegelt, eigentlich kommt man nur mit einer speziellen Gehnehmigung hinein! Hübsche Sache, und wir fahren einfach so mit unseren deutschen Kennzeichen durch die City! Wenigstens wissen wir jetzt, wieso wir gestern diesen miesen Waldweg fahren mussten - und wieso da Nato-Stacheldraht lag...


Wir haben schon Sorge, diesen miesen Weg auch wieder auf der Rückfahrt fahren zu müssen, doch unsere Gastgeber beruhigen uns: Beim Verlassen der Stadt würde man am Checkpoint nicht kontrolliert, das sei alles ganz easy. Gut, dann bin ich ja beruhigt. Mehr oder weniger zumindest.


Da es wieder übertrieben heiß ist, machen wir nachmittags einen Ausflug zum Stausee in der Stadt. Theoretisch ein netter Ort, wenn das Wasser nicht so dreckig wäre - und man nicht wüsste, dass es zum Kühlen von Atomreaktoren verwendet wird.


Abends grillt der örtliche Bikerclub bei der Garage Schaschlik - natürlich sind wir wieder herzlich eingeladen. Trotz (und teilweise gerade wegen) einiger Sprachprobleme ist es ein lustiger Abend, und einmal mehr wird mir bewusst, wie großartig gastfreundlich die Menschen in diesem Land sind. Ich bekomme zum Abschied spontan einige persönliche Kleinigkeiten wie Schlüsselanhänger geschenkt, sodass ich ein richtig schlechtes Gewissen habe, dass ich gar nichts weggeben kann... 
(Notiz an mich selbst: Russen stehen auf Kühlschrankmagnete - unbedingt für die nächste Reise ein paar aus Deutschland mitnehmen!)


Am kommenden Tag wollen wir uns eigentlich wieder verabschieden, doch unsere Gastgeber bestehen darauf, uns noch Krasnojarsk zu zeigen. Im Konvoi fahren Roman und Anja mit der Goldwing, ein weiteres Mädchen aus dem Club und wir Ausländer aus der Stadt. Wie angekündigt werden wir am Checkpoint tatsächlich nicht aufgehalten - Glück gehabt. 
Die Fahrt durchs krasnojarsker Verkehrschaos ist ziemlich nervig, vor allem weil Roman vorneweg immer über dunkelgelbe Ampeln rauscht und die weitere Mitfahrerin offensichtlich Fahranfängerin ist...


Unsere Gastgeber am Aussichtspunkt über Krasnojarsk

Dennoch ist der Abschied ganz nett, und an einem Aussichtspunkt über der Stadt sollen wir uns unbedingt noch eine Andenkenmünze prägen. Eigentlich hatten wir geplant, noch etwas Strecke zu machen, weil es bis Irkutsk noch etwas über tausend Kilometer sind, doch es ist bereits 20 Uhr, als wir Roman und Anja an der Abfahrt zur Magistralen verlassen. Deshalb schlagen wir bereits nach wenigen Kilometern das Zelt auf und beschließen, die nächsten beiden Tage dafür früher aufzustehen und mehr zu fahren - schließlich wollen wir am Donnerstag in Irkutsk sein!

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