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Donnerstag, 24. Mai 2012

Tschernobyl und Prypiat

Kurz vor knapp hat es doch noch geklappt mit einem Platz in einer Tour nach Chernobyl und Prypiat.
Der Trip kostet zwar ein Heidengeld, trotzdem bin ich neugierig, wie 25 Jahre lang verlassene Stadt wohl aussieht.

Ortsschild von Prypiat - frisch gestrichen
Mit ziemlicher Verspätung fahren wir in einem Kleinbus mit sechs anderen Touristen bis zum Posten der 30 km Zone. Die Kontrolle hier ist recht lächerlich, mich übersieht der Posten einfach und will meinen Pass gar nicht sehen.
Auf der Straße zur 10 km Zone bin ich erstaunt, wie viel Verkehr doch herrscht. Viele Touristen, Leute der französichen Firma, die den Sarkophag Nummer 2 bauen soll (für den allerdings gerade das Geld fehlt), und ein paar Militärs. Innerhalb der 10 km Zone dreht ein Typ auf dem Traktor gemütlich seine Runden und mäht Rasen...
Unsere Führerin ist ein junges Mädchen, das sich damit das Geld für ihr Studium in Kanada verdienen will. Sie ist immer 15 Tage lang in der Zone, führt Touristen herum, wohnt und schläft auch dort, dann muss sie die 30 km Zone für 15 Tage verlassen.

Von Prypiat selbst stehen leider nur noch einzelne Gebäude, der Großteil wurde in den Wochen nach dem Unglück von den sogenannten Liquidatoren eingerissen. Unser erster Stopp ist ein Kindergarten. Zwar ist das Innere mitsamt den übrig gebliebenen Möbeln sehr verwittert, doch wirkliches Lost Place - Feeling fehlt. Zu inszeniert wirkt alles... von der kaputten Puppe am Wegrand über das aufgeschlagene Buch zu den verschobenen Möbeln. Viel wurde wohl extra für die Touristen präpaiert und als Fotoobjekt parat gelegt.

Von unserem Gastgeber haben wir einen alten Sovjet-Geigerzähler bekommen, mit dem Daniel fleißig überall Strahlung misst. Er ist da recht panisch unterwegs, während ich mir keine großen Sorgen mache. In den paar Stunden in der Zone nimmt man vmtl. nur etwas mehr Strahlung auf als auf einem Flug nach Australien und zurück. Für uns Tagesbesucher ist die Strahlung, die an extremen Punkten wie einem Kanaldeckel neben dem berühmten Riesenrad in Prypiat oder ein paar hundert Meter neben dem Reaktor ca. 5 mSv/h beträgt, hoffentlich halb so wild.

STALKER laesst gruessen
Vergnügungspark in Prypiat

Unsere Führerin legt ein recht flottes Tempo vor und so klappern wir schnell die wichtigsten Punkte wie das Krankenhaus, Riesenrad, Busbahnhof und ein Cafè ab. Interessant finde ich, dass in den meisten Gebäuden keinerlei Möbel mehr stehen. Angeblich wurden diese mit einer "Strahlenschutzfarbe" bestrichen und außerhalb der Zone weiter verwendet. Farbe gegen ionisierende Strahlung? Okay...

Die Truppe auf dem zentralen Platz von Prypiat

Danach folgt Mittagessen in der Werkskantine direkt in der 30 km Zone. Das Essen ist erstaunlich gut und reichlich, es gibt Borschtsch, Salat, Haupt- und Nachspeise. Da arbeitet man doch gerne in der Zone! 

Vor der Abreise fahren wir noch direkt auf den Platz zu einem Denkmal, das nur wenige hundert Meter von Reaktor 4 entfernt ist. Hier ist die Strahlenbelastung schon etwas stärker, trotzdem sieht man viele Bauarbeiter am nebenstehenden Gebäude, sowie Militärs, die gemütlich zusammenstehen und rauchen. Wir sind jedoch nach einer kurzen Fotosession wieder weg.

Reaktor 4

Vor dem Verlassen der Zone müssen alle noch durch eine alte Sovjet-Strahlungskontolle. Den Test besteht zum Glück jeder, und wir fahren zurück nach Kiew.

Dienstag, 22. Mai 2012

Kiew

 Der Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine ist wie eine kleine Zeitreise. An der Grenze selbst sehen wir einige lustige Gestalten, so zum Beispiel einen Typ, der sein Gespann zum Grenzposten schiebt, oder ein Auto, das ein anderes durchschleppt. Nach der Grenze fährt das Auto aber seltsamerweise wieder von allein... Die Dörfer sehen weitaus ärmer aus, ab und zu überholt man ein Pferdefuhrwerk, und der Fahrstil wird allgemein krimineller.
Da es schon recht spät ist, fahren wir nach Lviv (der Stadt mit den größten Schlaglöchern) einfach in einen Feldweg ab und zelten im Wald.



Morgens bauen wir schnell das Zelt ab und holpern über den Waldweg zurück zur Hauptstraße. Den ganzen Tag fahren wir die Magistrale 6 entlang, meist schnurgerade durch Wälder und kleine Ortschaften, wo tollerweise Zebrastreifen die Autobahn kreuzen.

Für uns halb so wild, da wir laut ADAC-Information mit dem Motorrad in der Ukraine nur 80 km/h fahren dürfen. Wir sind also permanent ein noch größeres Verkehrshindernis als die letzten Tage davor. Gegen Nachmittag erreichen wir Zytomyr, und ab dort ist die Straße zur Hauptstadt quasi eine einzige Baustelle.
Offiziell ist das Tempolimit hier bei meist 50 km/h, woran sich natürlich niemand hält. Um nicht alles zu blockieren, passen wir uns dem Verkehr an - und tatsächlich: Vor jeder Polizeistation und Kontrolle bremst der ganze Konvoi ab auf ordnungsgemäße Geschwindigkeit, man muss also kaum selbst darauf achten. Perfekt!

Seitdem wir die Couchsurfer angeschrieben haben, hatten wir keinen Internetzugang mehr, deshalb war der Plan, in Kiew zunächst einen WLAN Hotspot zu finden um einen Platz für die Nacht zu organisieren. Wir fahren kreuz und quer durch die Stadt auf der Suche nach irgendwas mit Internetzugang, aber vergeblich.
Schließlich halten wir an und fragen einige Passanten. Plötzlich hält ein Auto neben uns, darin ein paar Studenten aus Aachen und ihr ukrainischer Gastgeber. Spontan läd er uns zu sich ein - das nenn ich mal Gastfreundschaft! Wir folgen ihm kreuz und quer durch Kiew und erreichen schließlich das Haus seiner Familie auf einem kleinen Hügel.

Wir werden super bewirtet und erfahren, was es mit den Aachenern auf sich hat: Valerie, unser Gastgeber, organsiert seit 15 Jahren Studentenaustausche zwischen Kiew und Aachen. Der Trupp, der heute angekommen ist, wird bei mehreren einheimischen Studenten untergebracht, die in ein paar Monaten dafür nach Deutschland kommen.
Am Abend schließen wir uns den Studenten an, die in der Wohnung einer Studentin Party machen.Danach geht es noch ins "Schulz", ein Lokal mit eigener Brauerei. Ich bestelle mir ein Weißbier, das lustigerweise im Maßkrug und mit Zitronenscheibe serviert wird...

Am nächsten Tag gehen wir mit den Studenten an den Stadtstrand von Kiew. Es dauert zwar eine Weile, bis wir durch das Baustellenchaos durch Kiew gekommen sind, aber auch hier erweist sich mein Garmin GPS mit den OpenStreetmap Karten als super Orientierungshilfe. Billiger als ein Navi und weltweit einsetzbar... perfekt!

Ich mache noch mit Hanna, eine der Studentinnen aus Kiew, eine kleine Motorradtour, weil sie unbedingt mal wenigstens hinten auf einem Motorrad mitfahren wollte, aber dann müssen die Studenten auch gleich weiter zur "Eröffnungsversammlung" in einem Restaurant.
Wir kommen mit, stellen aber schnell fest, dass wir eigentlich fehl am Platze sind... es ist ein kleiner Laden, in dem es außer für die Gruppe weder andere Gäste noch Sitzplätze gibt. Wir bekommen zwar an einem Tisch in der Ecke ein kleines Abendessen, verschwinden aber danach schnell.


Samstag, 19. Mai 2012

Tschechien und Polen

Los gehts! Eine vollbepackte Vahrenkamp Diesel Enfield, eine ebenso überladene Suzuki XF 650 und drei Leute, die zwischen das Gepäck auch noch irgendwie auf die Maschinen passen müssen:

Diesel Enfield und Suzuki XF 650 beim Start

Über die Autobahn geht es recht schnell zur tschechischen Grenze. Auf tschechischer Seite werden die Straßen spürbar schlechter, trotzdem erreichen wir gegen 19 Uhr einen Campingplatz nahe dem Zoo in Prag.
Direkt zum Zeltaufbau beginnt es zu regnen, dann zeigt sich gleich noch ein ganz anderes Problem: Mein vom VauDe "Fachmann" frisch repariertes Zelt ist nicht aufbaubar, weil der Held bei der Reparatur des Stangenbruchs nicht nur ein falsches Stangenelement, sondern auch noch ein Element zu viel und eine falsche Endhülse eingebaut hat. Provisorisch zerbreche ich ein Stangenelement und fixe das Ende mit Tape, damit sich das Zelt wenigstens aufbauen lässt.
Das geht ja gut los! Zum Glück brauchen wir das Zelt nur bis Moskau, weil dort Daniels Sozia absteigt und wieder zurück nach Deutschland fliegt. Von da an reicht uns dann unser großes Zweimannzelt.

Am nächsten Tag ist das Wetter wieder gut und wir bummeln gemütlich durch die Straßen Prags. Der Eintritt zur Burg ist zwar recht übertrieben, aber vor allem das Goldene Gässchen, die Straße mit den Häusern, die direkt an die Stadtmauer gebaut wurden, ist ganz nett.

Da wir recht unter Zeitdruck stehen, fahren wir gleich am nächsten Tag weiter nach Polen Richtung Oswiecim, in Deutschland besser bekannt als Auschwitz.
Auf dem Weg machen wir noch bei Sedlec Halt, wo eine Kapelle steht, deren Wandschmuck und Inneneinrichtung ausschließlich aus den Gebeinen der Pesttoten besteht, die in der Umgebung beerdigt wurden. Ist ja schön, dass die Knochen hier noch einen sinnvollen Zweck erfüllen, aber es sieht doch arg schräg aus...

Knochenkapelle bei Sedlec

Leider herrscht vor der Grenze ein dutzende Kilometer langer Stau, der sich durch mehrere Ortschaften zieht, sodass unser Zeitplan ziemlich durcheinander kommt.
Noch dazu ist es ziemlich kalt, was vor allem Daniels Sozia arg zusetzt, deshalb steuern wir gegen 19 Uhr das nächstbeste Hotel auf der Strecke an.

Wir haben Glück und erwischen ein bezahlbares Zweibettzimmer, sogar ein gutes Abendessen gibts noch im Restaurant. Daniel versucht noch, an polnisches Bargeld zu kommen, aber die Wechselstuben haben natürlich zu. So muss mal wieder meine Visacard herhalten...

Am nächsten Tag erreichen wir über die Autobahn recht schnell Auschwitz und quartieren uns gleich wieder in einem Hotel ein. Dekadenter Luxusurlaub!
Den Nachmittag verbringen wir damit, das Gelände von Auschwitz I und Auschwitz II zu besichtigen. Nie hätte ich gedacht, dass das Gelände von Auschwitz Birkenau dermaßen riesige Ausmaße hätte... über mehrere Kilometer erstrecken sich Baracken an Baracken, immer parallel zum Schienenstrang, der bis in den hinteren Bereich zu den Gaskammern geführt hat. Wir brauchen mehrere Stunden um das Gelände einmal abzulaufen.
Mit dem Bus fahren wir wieder die drei Kilometer zurück nach Auschwitz I, wo der Wahnsinn weitergeht: In mehreren Lagerhäusern wurden tonnenweise Haare, Schuhe, Reisekoffer, Zahnbürsten und andere Besitztümer der im KZ umgebrachten Menschen fein säuberlich sortiert. Viel davon wurde wieder zurück nach Deutschland geschafft und für die Zivilbevölkerung weiterverwendet.

Die nach der Flucht der Deutschen zurückgelassenen Reste werden jetzt in hohen Glaskästen ausgestellt... ein komisches Gefühl, durch einen Gang zu laufen, in dem links und rechts bis unter die Decke (Kinder-) Schuhe gestapelt sind, von denen man genau weiß, wem sie mal gehört haben...



Mittwoch, 9. Mai 2012

Die Route durch Russland

Ich sitze gemütlich in Thailand (http://andamankayak.blogspot.de), als mich die Nachricht eines Freundes erreicht: Er wolle seinen Job kündigen und mit seinem Motorrad Richtung Osten fahren ("Vielleicht nach Indien?"). Ob ich ihn nicht begleiten wolle?
Kategorisch lehne ich erst mal ab, ich sitze ja gerade im sonnigen Süden und habe nicht sobald vor, nach Deutschland zurück zu kehren.
Dann beginnen aber die Überlegungen: Eine wirklich weite Fahrt mit dem Motorrad wollte ich eigentlich schon immer mal machen, und die Chance, da jemanden zu finden der mitmacht, ist verdammt gering - das wäre also jetzt die Gelegenheit. Ausserdem langweilt mich Thailand seit einigen Tagen doch etwas...

Ein paar grobe Recherchen zeigen, dass wir wohl nicht bis Indien kommen, es sei denn, wir würden es irgendwie schaffen, mit akzeptablen Zeit- sowie Geldaufwand eine Fahrerlaubnis in China zu bekommen. Da das wohl eher unwahrscheinlich ist, entscheiden wir uns für das Alternativziel Mongolei. Recht spontan buche ich also meinen Rückflug, um in Deutschland noch genügend Zeit für Planung und Vorbereitung zu haben.

Die grob geplante Route ist in der Karte unten zu sehen. Natürlich kennt Google Maps nicht alle Straßen (und auch nicht den Grenzübergang nördlich von Ulan Bator), deshalb wird die Strecke östlich von Moskau wohl etwas anders verlaufen.


Größere Kartenansicht